Da muß ich meinem Vorredner, den ich sehr schätze, heftig widersprechen. Es gibt zahlreiche Studien dazu und auch Übersichtsarbeiten, und obwohl sie sich in der Frage "Wann setzt die Aktivität von Muskel xyz ein und wannn endet sie genau?" nicht ganz einig sind, können wir mit großer Sicherheit sagen:

Kurz hinter dem oberen Totpunkt wird Druck auf die Pedale ausgeübt, indem das Knie von den Muskeln des M. quadriceps fem. (http://de.wikipedia.org/wiki/Musculus_quadriceps_femoris - vor allem M. vastus lateralis) gestreckt wird. Diese Aktivität wird unterstützt von der Glutealmuskulatur). An dieser Stelle ein wichtiges Prinzip, das für das Radfahren, aber nicht unbedingt für das Laufen gilt: Da die Bewegung eine komplett "geführte Bewegung" ist, d.h. der Fuß nicht ausweichen kann, wenn die Kräfte nicht hundertprozentig tangential am Pedal angreifen, und weil der Fuß fest am Pedal befestigt ist, reicht es aus, wenn von den Muskeln die a. das Hüftgelenk strecken oder b. das Knie strecken eine arbeitet. M.a.W.: die Arbeit der Glutealmuskulatur wäre entbehrlich gewesen, aber das "weiß" der Körper nicht, deshalb arbeitet die auch. Allerdings: sie arbeitet nicht tatsächlich mit gebremster Kraft. Das merken wir daran, daß wir bei längeren Bergauffahrten tatsächlich schonmal einen Muskelkater im Hintern kriegen, weil die Kraftentfaltung ökonomischer von den beiden Muskelgruppen gemeinsam erbracht wurde. Bei einer Pedalstellung von ca. "halb drei" setzt dann bereits die Aktivität der Rückwärtigen Oberschenkelmuskulatur ein - also: M. biceps femoris, M. semimembranosus und M. semitendinosus. Das ist der Punkt, wo die meisten Denkfehler gemacht werden, auch bei Jürgen ist das leider der Fall. M.E. ist die Hauptursache für diesen Denkfehler, daß die Muskeln in Agonisten und Antagonisten eingeteilt werden. Die rückwärtige Oberschenkelmuskulatur arbeitet nämlich keineswegs der Vorderseite "entgegen".

Dazu muß man wissen - das ist das 2. wichtige Prinzip: Alle drei genannten Muskeln können Bewegungen sowohl im Kniegelenk (Beugung - scheinbar "entgegengesetzt") wie im Hüftgelenk (Streckung) bewirken, weil sie mit ihren Endsehnen beide Gelenke überspannen. Ist das Kniegelenk arretiert (dr. Führung und Befestigung an der Pedale), bewirkten diese Muskeln also eine Streckung des Hüftgelenks und können deshalb im Prinzip die Arbeit der Druckentwicklung auf das Pedal alleine übernehmen. Das tun sie auch, allerdings auch hier wieder unterstützt durch andere Muskeln. Du kannst das fühlen, in dem du einfach beim treten die Hand auf den Oberschenkel legst, erst vorne, dann hinten: Dann spürst du, daß ab spätestens "drei Uhr" die Anspannung des M. vastus lateralis abnimmt (aber nicht endet) und die rückwärtigen Muskeln angespannt werden. Gleichzeitig muß natürlich das Sprunggelenk mind. fixiert werden. Deshalb beobachtet man schon sehr früh (ca. 2 Uhr) eine starke Anspannung des ebenfalls über zwei Gelenke ziehenden M. gastrocnemius (das ist der kräftige, knollige, zweibäuchige Wadenmuskel). Allerdings übt dieser Muskel in erster Linie Haltearbeit aus, was wahrscheinlich die Ursache dafür ist, daß es häufig zu Wadenkrämpfen kommt.

Zum Schluß (ab ca. 5 Uhr) kann dann einer der Muskeln des M. quadiceps fem., der ebenfalls über zwei Gelenke ziehende M. rectus femoris nochmal einen "Kick" geben, weil er dann durch die Streckung des Hüftgelnks ausreichend vorgedehnt ist und ein Streckung im Kniegelenk und damit Druckentwicklung auf das Pedal bewirken kann.

An dieser Strelle und weil ich nun zum dritten oder 4. Mal von "Druckentwicklung" und nicht von "tangential am Pedal angreifenden Kräften" oder "Kräften in Drehrichtung" u. dergl. sprechen, das 3. wichtige Prinzip: mInd. die Häfte von dem, was du in deinem Leben bisher über den sog. "runden Tritt" gehört hast, ist Unsinn. Warum? Wieder, weil die Bewegung eine gefüjhrte ist und der Fuß garnicht ausweichen kann. D. h. daß auch ausschließlich von oben auf das Pedal wirkende Kräfte theoretisch ausreichen würden, das Rad vorwärts zu bewegen.

Aber Vorsicht: Hier darf man jetzt nämlich nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Da vor allem im unteren Bereich der Abwärtsbewegung des Pedals der vertikale Weg immer kürzer wird, ist eine stark anwachsende senkrechte Kraftkomponente notwendig, um eine weiter nennenswert große Tangentialkraft zu erzeugen. Es ist also durchaus nicht unsinnig, daß dort auch Kräfte entwickelt werden, die "nach hinten" zeigen - also wie beim Abdrücken bspw. beim Laufen (Sprint). Welche Muskulatur dafür zuständig ist, ist mir nicht bekannt, möglicherweise der kurze Kopf des M. biceps femoris.

Natürlich sind noch eine Menge anderer Muskelgruppen beteiligt, meist durch Haltearbeit. Also alles, was auf das Hüftgelenk wirkt (Bauchmuskeln, M. ileopsoas, Rückmuskulatur, Glutealmuskulatur) und natürlich die Schulter und Armmuskulatur und der gesamte Stützapparat der Wirbelsäule.

So, noch 31 Zeichen: Gruß A

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